Hamburg goes digital – die Finanzbehörde als Vorreiter
Die Mühlen mahlen langsam in den Ämtern und Behörden – diese Vorstellung taucht oft auf, wenn es um die öffentliche Verwaltung geht. Zu Unrecht: Ein Blick hinter die Kulissen der Finanzbehörde Hamburg zeigt ein völlig anderes Bild – nämlich ein Modernisierungsvorhaben, das die Digitalisierung als Reifeprozess versteht. Angestoßen und vorangetrieben wurde dieses Vorhaben durch das Competence Center Geschäftsprozessmanagement (CC GPM). Sein Hauptanliegen dabei: das Erreichen maximaler Akzeptanz bei den Menschen im Umgang mit den technischen Neuerungen. Das CC GPM möchte die Verwaltungsmitarbeiter zu einem prozessualen Umdenken anregen – über die eigene Behörde hinaus.
Zunächst stand das CC GPM vor der Aufgabe, in der Finanzbehörde Personal abzubauen und die Qualität im Sinne von Kundenservice, Dienstleistung und Bürgernähe zu verbessern. Es ging also vorrangig darum, Geschäftsprozesse zu optimieren und in eine Darstellungsweise zu überführen, die vom Ergebnis her konzipiert wurde.
Der Knackpunkt des Vorhabens: der altbekannte Kampf um Informationen. Für die Verwaltungsmitarbeiter ist es entscheidend, Antworten auf diese Fragen zu erhalten: Welche Daten sind an welchen Stellen hinterlegt? Wer kommt wie an diese Informationen, und ist das aus rechtlicher Sicht zulässig? Diese Fragen soll im Idealfall die Technik von sich heraus beantworten, und den Mitarbeitern so die Aufgabenwahrnehmung erleichtern.
Bei der Suche nach einem Partner zur Lösung dieser Aufgabe hat die Software AG die Finanzbehörde überzeugt – mit einer so simplen wie ausgeklügelten Software, die benutzerfreundlich ist und den Reifegrad der verschiedenen Behörden, Ämter oder Landesbezirke und ihrer Mitarbeiter berücksichtigt: ARIS fokussiert auf die organisatorischen Abhängigkeiten, integriert die Datenströme und visualisiert die Arbeitsvorgänge in einer für Dritte verständlichen Art und Weise. So konnte nach einer Testphase ein Rahmenvertrag für Hamburg geschlossen werden, der einen unkomplizierten Abruf der Software ermöglicht und trotz einer zentralen Ausgestaltung unterschiedlichsten Projektanforderungen genügt: Der Knackpunkt war gelöst, standardisierte Prozessauswertung bei größtmöglicher Gestaltungsfreiheit.
Der Kauf von ARIS-Lizenzen im Jahr 2016 zur Geschäftsprozessmodellierung in der Finanzbehörde hat zu einem systematischen Umdenken und zu Erkenntnissen geführt, die sich über die Behörde hinaus verbreitet haben. Hierfür sind bestehende Komponenten schrittweise auf ARIS 10 erweitert worden. Mithilfe von ARIS Connect können die Prozesse in der inhaltlichen Verantwortung des jeweiligen Fachbereichs bleiben, und zugleich wird die Möglichkeit für kontinuierliche Verbesserung bzw. Veränderung durch andere Mitarbeiter geschaffen.
Hinzu kommen Rollenmodelle, die die Hierarchien in der Verwaltung aufbrechen und die prozessuale Denkweise anstoßen. Modellfilter ermöglichen eine gemeinsame Sprache an der Schnittstelle von IT und Organisation, EPK und BPMN werden austauschbar. DMN ermöglicht die Qualifizierung des Gesamtprozesses durch Abbildung von Entscheidungsregeln. Ein einheitliches Konventionenmodell auf allen Ebenen erlaubt ein späteres Zusammenwachsen kleiner und großer „Projektinseln“. Alles in allem sind dies Fertigkeiten, die die Mitarbeiter überzeugt haben: „Neben der Finanzbehörde nutzen heute elf von insgesamt 22 Fachbereichen ARIS, Tendenz steigend“, fasst Referatsleiter Gerrit Weise zusammen. Und weiter: „In naher Zukunft soll Hamburg geschlossen ARIS sprechen“. Ein Erfolg, auf den das CC GPM, der eingebundene Hamburger IT-Dienstleister Dataport und die Software AG gemeinsam stolz sind.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung liegt das Hauptaugenmerk des CC GPM nunmehr darauf, behördenübergreifend Abhängigkeiten zu visualisieren und die Modernisierungspotentiale in einem völlig neuen Miteinander zu erproben. „Nur so kann der Weg zu mehr Klarheit und Transparenz frei gemacht werden“, erklärt Weise. Hierfür musste der entsprechende technische Überbau geschaffen werden – eine IT-Architektur, die offen ist für die digitale Transformation.
Folgerichtig kam 2017 Alfabet, ein weiteres Produkt der Software AG, ins Gepäck. Alfabet bildet als IT-Landkarte Abhängigkeiten in der Entwicklung von IT-Komponenten ab, deren Unzulänglichkeiten häufig von organisatorischen Regeln geschlossen wurden. Durch eine gemeinsame Sichtweise auf IT (Alfabet) und Organisation (ARIS) wird eine objektivierte und priorisierte Entwicklung im Sinne einer ganzheitlichen Verwaltungsmodernisierung ermöglicht.
Seit der Einführung von Alfabet sind rund 300 Fachverfahren integriert, und es wird angestrebt, alle IT-Fachverfahren der Freien und Hansestadt Hamburg in Alfabet einzupflegen. Der richtige Weg ist eingeschlagen in Richtung mehr Klarheit und Transparenz – sowohl von IT-Seite als auch von Seiten der Organisation. Die Zusammenführung von Alfabet und ARIS – hin zu einer vollumfänglich integrierten Sichtweise auf technische und organisatorische Abhängigkeiten – soll konsequent weiter verfolgt werden.
Parallel dazu muss das Hierarchie- und Silodenken in der Verwaltung weiter aufgebrochen werden: „Warum Geschäftsprozessmanagement heute wichtiger denn je ist, gehört zu den Fragen, die uns in der Verwaltung immer wieder gestellt werden“, erläutert Weise. „Wird es aber von allen Mitarbeitern als Basis für ein übergeordnetes Innovationsmanagement verstanden, ist der Grundstein gelegt, damit die öffentliche Verwaltung die Herausforderungen meistert, vor die sie durch die Digitalisierung gestellt wird“.